To cop out of something steht im Englischen für „aus einer Sache sich zurückziehen, aussteigen“. Die Frage ist, wollen die Länder wirklich aus der COP aussteigen? Aber wie kann es sein, dass die Länder sich aus der COP zurückziehen wollen? Wie kann es sein, dass sie immer nur ihre eigenen nationalen Interessen verfolgen statt auf einer COP sich zu einigen?
Das ist ein Scheitern von Diplomatie. So etwas hat früher schon in Kriege geführt. Führen wir jetzt Krieg gegen die Natur, wieder nur um die nationalen Interessen nicht zu opfern? Aber denken wir etwas weiter: Wie sehen unsere nationalen Interessen in zehn, zwanzig Jahren aus? Sind wir nicht heute schon abhängig davon, dass es auch in den anderen Teilen der Erde lebenswert bleibt? Dass sich dort die Menschen weiterhin selbst ernähren, sich etwas aufbauen und für den Welthandel etwas produzieren können?
Ist unser Wohlstand nicht auch der Wohlstand der anderen?
Warum scheiterte die COP25 in Madrid?
Wir müssen uns klar machen: auf der COP, der jährlichen Weltklimakonferenz, verhandeln Regierungen. Da nicht die Regierungschefs selbst am Tisch sitzen, verhandeln deren Unterhändler: Angestellte im Dienst des Staates. Es sind Beamte oder Berater des jeweils zuständigen Ministeriums, also des Umwelt-, Energie- oder Wirtschaftsministeriums des Landes. Man nennt sie Delegierte. Sie sind wie Abgeordnete entsandt, um einen Auftrag zu erfüllen. Den Auftrag, das in den Verhandlungen so gut es geht durchzusetzen, was ihr/e Regierungschef/in will. Manche sagen durchzuboxen. Denn wenn man hört, was hinter den verschlossenen Türen abläuft, dann ist es wie damals im Kindergarten: Gibst du mir ein Stück von deinem Kuchen, öffne ich meine Keksdose für dich. Oder wie heute in der Außenpolitik: Wenn du mit mir gegen den bist, dann bin ich auch gegen den, den du nicht magst. Diplomatie beginnt tatsächlich schon in der Krabbelgruppe. Aber hohe Diplomatie sieht anders aus. Die Gründe für das Scheitern der COP25 waren unter anderem:
- Die ungünstige Ausgangslage
- Die schwache Führung
- Die unsichtbaren Europäer
Die ungünstige Ausgangslage
Die letzte COP, also die, um die es hier geht, fand Anfang Dezember 2019 in Madrid statt. Sie stand unter der Präsidentschaft von Chile. Jede COP hat eine Präsidentschaft. Die Präsidentschaft hat eine immens wichtige Aufgabe: sie bereitet die Weltklimakonferenz vor. Das heißt nicht nur, dass sie die Räume stellt und ein Programm organisiert. Das heißt vor allen Dingen, dass sie für zwei Wochen Konferenz mindestens 12 Monate Diplomatie im Vorfeld betreibt. Spätestens ab dem Zeitpunkt des letzten Tages der Beschlüsse der vorangegangen COP wird die Präsidentschaft der nächsten COP Gespräche führen: hier ist sie wieder – die Diplomatie. In zwei Wochen lassen sich nicht die Streitpunkte der internationalen Klimapolitik lösen. Sondern das geschieht in den offiziellen und inoffiziellen Vortreffen bis zum tatsächlichen Konferenzbeginn.
Nun geschah etwas Unerwartetes: Ab Herbst 2019 gingen die Menschen in Chile gegen ihre Regierung auf die Straße. Ausgelöst durch eine Erhöhung der Ticketpreise für den Nahverkehr in Santiago de Chile kam es zu einem Volksaufstand gegen die neoliberale Politik der Regierung. Aufgrund der Unruhen musste die chilenische Regierung den Standort außer Landes legen. Das Sicherheitsrisiko für die zehntausenden Teilnehmer der COP war zu hoch. Man zog in ein ebenfalls spanisch sprechendes und sicheres Land um: nach Spanien. Aber der Imageverlust der chilenischen Präsidentschaft war enorm. Denn Chile behielt die Präsidentschaft wie geplant. Aber nicht nur das schwache Ansehen von Chile senkte die Erwartungen, sondern auch die Abwesenheit von Kämpfern für den Klimaschutz. Viele Teilnehmer aus Südamerika konnten sich ein zweites Flugticket nicht leisten und schon gar nicht eines nach Europa. Viele Akteure blieben Zuhause. Das heißt, gerade die Akteure, die nicht staatlich organisiert sind und die häufig eine COP positiv beeinflussen können: etwa Nichtregierungsorganisationen wie Naturschutzverbände, regionale Vertreter der Länder, bedrohte Minderheiten, die gerade in Südamerika eng mit der Natur leben.
Die schwache Führung
Hand aufs Herz: Wenn Zuhause auf dem anderen Kontinent die Hütte brennt, wie engagiert ist man dann auf einer „Fach“-Konferenz in Madrid? Die chilenische Präsidentschaft war geschwächt. Ihre größte Aufmerksamkeit galt nicht dem, eine Klimakonferenz zum Erfolg zu bringen, sondern sich erst einmal im Sattel zu halten. Die angereisten Minister aus Chile wussten doch noch nicht einmal, ob sie bei ihrer Rückkehr noch im Amt sind. Eine schwache Führung macht eine Konferenz zwar noch nicht obsolet, aber eine starke Diplomatie ist von ihr nicht zu erwarten.
Was ich nicht einschätzen kann, vielleicht andere, die antworten wollen, ist, inwieweit sich die chilenische Regierung im Vorfeld in Klimadiplomatie geübt hat. Tatsache ist, dass eine Konferenz nur die Ergebnisse bringen kann, die schon in vielen Vorverhandlungen vorbereitet, abgeklopft und abgesegnet worden sind. Davon war auf der COP nichts zu spüren. Die Delegationen beharrten auf ihren Standpunkten und es waren keine übernationalen Allianzen in Sicht. Das war etwa in Paris 2015 komplett anders. Wer aber mit einem leeren Aktenordner in ein Treffen geht, kann nicht erwarten, mit unterschriebenen Vereinbarungen hinauszugehen.
Die unsichtbaren Europäer
Madrid ist zwar Europa, aber Europa war in Madrid nicht prominent vertreten. Außer den einleitenden Worten des spanischen Premiers Pedro Sánchez kamen die restlichen Tage nur die zweite Garde. Auch das ist Diplomatie. Welcher Kopf verhandelt? Ist es der Amtsinhaber, sein Stellvertreter oder gar „nur“ ein Unterhändler, ein Unter-Unter-Abteilungsleiter? Das zeigt die (Un)-Bedeutung, die einer Verhandlung beigemessen wird. Daran gemessen war für die Europäer die COP unwichtig. Okay die neu gewählte EU-Kommissarin Ursula von der Leyen hat Anfang der zweiten Konferenzwoche ihren new green deal in Brüssel verkündet. Daraufhin hat sie ihren Stellvertreter Frans Timmermans nach Madrid geschickt… Das war definitiv zu wenig. Auch der so sehr ersehnte neue grüne Vertrag, von dem Impulse für die Verhandlungen ausgehen sollte, war erst einmal nur eine Ankündigung mit vielen Nebensätzen. Warum aber hat die europäische Kommission nicht hier schon angekündigt, ihr Klimaziel von derzeit 40% Reduktion der Treibhausgase gegenüber 1990 bis 2030 auf 55% oder gar 60% zu steigern?
Früher einmal… Früher einmal da war Deutschland ein anerkannter Partner in den internationalen Klimagesprächen. Das hat sich geändert. Auch das ist ein Grund für das Scheitern in Madrid. Welches Land hat sich wirklich engagiert gezeigt? Welche Allianzen wurden geschmiedet, wer hat etwas angekündigt, was andere Länder ermutigt, genötigt hätte, dem nachzueifern? … Nobody…
Die nächste COP findet im Dezember 2020 in Glasgow statt. Mögen sich die Länder dann dort zusammenfinden und nicht aussteigen aus der COP, sondern einsteigen, sich mehr engagieren. Natürlich sitzen wir alle in einem Boot. Mögen die Bedingungen für die COP26 so sein, dass alle Länder in ein Boot, in DAS eine Boot steigen und dieses dann in Richtung echte Erfolge für den Klimaschutz steuern!